Die Illuminatenakten Online: Einige Bemerkungen zu den ersten knapp 16.000 Datensätzen des FactGrid

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Das FactGrid (noch immer ohne ein eigenständiges Design) erhielt in den letzten Wochen seine ersten Projektdaten – Daten aus der Illuminatenforschung Halles und Gothas der letzten 20 Jahre, die hier kurz umrissen seien.

Rudimentär sind in diesem Stadium noch die Datensätze zu den gut 2.000 gelisteten Personen. Etwa 1.350 von ihnen waren Illuminaten, die übrigen zumeist Personen, die von ihnen in Briefen erwähnt wurden. Wir schrecken im Moment vor der Eingabe der uns vorliegenden runderen Datensätze zurück, da sie weit interessanter in einer Kooperation mit der GND und unterstützt durch Katrin Möllers Hallenser Projekt zu Erwerbsbiographien geschähe. Verhandlungen in beide Richtungen laufen. Rudimentär sind im selben Moment auch die gut 2,000 Titel Forschungsliteratur zum Illuminatenorden gelistet. Auch hier wurde uns klar, dass es interessant wäre, diese Arbeit von vornherein an bibliothekarische Katalogsysteme anzulehnen.

Im Zentrum bietet das FactGrid indes nun die gut 9.000 Dokumente, die aktuell in Forschungskreisen mit dem Illuminatenorden und ihren Aktenkonstellationen in Verbindung gebracht werden: Dokumente aus den Nachlässen Adam Weishaupts, Johann Joachim Christoph Bodes, der Gothaer Loge „Zum Compaß“, Ernsts II. von Sachsen-Gotha-Altenburg, sowie der 1786 und 1787 geschehenen Veröffentlichungen aus Bayern.

Etwa 3.000 dieser Dokumente sind sehr viel eingehender erfasst. Sie geben in ihrer obersten Schicht Einblick in Gothas Illuminatenforschung der letzten fünf Jahre: Unter der Projektleitung Martin Mulsows untersuchten Markus Meumann und ich von Nachwuchsforschern unterstützt „Illuminatenaufsätze“, mit ihrem Schwerpunkt im 13. Band der „Schwedenkiste“. Unsere Arbeit griff schnell in die benachbarten Bände aus. Christian Wirkner erschloss dabei in mehreren Schüben die Sitzungsprotokolle sowie einzelne Stränge der Betreuungskorrespondenz zwischen Mitgliedern und den „Unbekannten Oberen“ – den Austausch von „Quibus Licet“ und „Reprochen“. Der Gothaer Schwerpunkt liegt mithin in den Bänden 11 bis 16 der „Schwedenkiste“.

Das von uns aufgebaute „Illuminatenwiki“, die Gotha Illuminati Research Base, wirkte unerwartet in die Forschung hinein. Mit ihm kamen die Datensammlungen Hermann Schüttlers und Reinhard Markners ins Gehege, die bis in das Jahr 1998 zurückgehen. Hermann Schüttler publizierte 1991 das erste Kompendium zu den Mitgliedern des Ordens (und arbeitete diese bereits in die Gotha Illuminati Research Base ein: Die Mitglieder des Illuminatenordens). Gemeinsam mit Reinhard Markner erschloss er ab 2000 in großem Umfang die Ordenskorrespondenz. Eine Access Datenbank kam aus seiner Hand von hier aus in das Startangebot für das FactGrid – im FactGrid regulär mit der qid Item:Q11305 als Forschungsleistung ausgewiesen:

Hermann Schüttler zu diesem Datenbestand:

1. Was ist drin? Briefe vor allem aus a) dem Teilnachlaß von Adam Weishaupt im Staatsarchiv Hamburg, Depositum der „Vereinigten Fünf“ (Logen) Hamburg, sowie b) der „Schwedenkiste“, d.i. dem Nachlaß von Johann Joachim Christoph Bode, vermehrt um Papiere von Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg im Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, zuvor Staatsarchiv der DDR, Merseburg. Dazu vereinzelt Material mit eindeutig illuminatischem Bezug verschiedenster Provenienz.
2. Wer hat wieviel von wann bis wann daran gearbeitet? Die Daten wurden während der Laufzeit des Projektes im IZEA zwischen Anfang 2000 und Mitte 2005 von Hermann Schüttler erfaßt und danach von Reinhard Markner teilweise ergänzt.
3. Welche Archive wurden besucht? Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (Briefe Weishaupt im Bestand „Kasten Schwarz“), Pfälzische Landesbibliothek, Speyer (Nachlaß Schwanckhardt).
4. Welche Veröffentlichungen knüpfen sich daran? Die Titel, die sich jeweils unter der qid Item:Q11305 zur gesamten hier erbrachten Forschungsleistung gelistet finden.

Das FactGrid kann damit erstmals den Eisberg so halbwegs bemessen und im Projekt der Illuminatenakten Online in den Metadaten vorlegen. Zukünftige Projekte können von hier aus fortfahren. Mit ganz anderer Dynamik ließe sich das große hier angelegte Raster indes füllen, wenn wir mit der Datenbank die Digitalisate aller Dokumente zugänglich machen könnten. Das aber wird nur in einem Projekt denkbar werden, für das die Großlogen und Archive, in deren Eigentum respektive Besitz sich die meisten der Akten heute befinden, noch zu gewinnen bleiben.

Der kreative Part der Arbeit kann damit beginnen

Gegenüber dem bisherigen Wiki ist das FactGrid an einer Stelle strukturell im Nachteil: Das Wiki macht Transkripte und Zusammenfassungen von Hunderten Dokumenten sowie detaillierte Informationen zu Sitzungen des Ordens zugänglich (hier eine Musterseite zu einem Dokument – dem Dokument 70 im 13. Band der Schwedenkiste – im alten Wiki; hier die Datensammlung zum selben Dokument im FactGrid: Item:Q6641). Spannend wäre es, diese Texte und Informationen in der Datenbank selbst verfügbar zu machen. Wir werden zwei Werkverträge ausschreiben, einerseits um das alte Wiki zu entlasten, in dem wir Metadaten großflächig und laufend aktuell aus der Datenbank einspielen. Ein komplementärer Werkvertrag wird der Frage gelten, wie wir das konventionelle Wiki zur Vermeidung doppelter Arbeit im FactGrid (respektive in einer eigens zu gründenden FactGrid Ressource für Objektrepräsentationen) verlustfrei aufgehen lassen könnten (siehe hier die Vorformulierungen zu diesen beiden Werkverträgen).

An einer anderen Stelle ist die Datenbank dem bisherige MediaWiki bei weitem überlegen: Mit ihr ist die verfügbare Materiallage im großen Raster erfasst, in dem sich weiterforschen lässt – und die Tür geöffnet zum Data-Mining. Man wird nun daran gehen können, die gesamte Aktenproduktion kartographisch wie auf Zeitleisten zu erfassen. Man wird (insbesondere sobald die Personeninformationen zu den Berufen detaillierter eingegeben sind) durchleuchten können, wer mit wessen Fürsprachen welche Karrieren im Orden machte und dabei welche Netze des ordensinternen Austauschs generierte.

Gefragt sind damit zum einen Gruppen, die mit eigener Forschung im Feld weitermachen und zum anderen Data-Miner, Datenvisualisierer – und wir sind natürlich gespannt, welche Informationen sie dort sichtbar machen werden, wo wir bislang vor allem Detailinformationen mit dem gröberen Bauchgefühl der Beziehungen im Orden nachgehen. Der FactGrid Blog wird eine gute Adresse sein, um Daten-Analysen vorzulegen, die SPARQL-Begeisterte nun weit besser durchführen können als die Forscher hinter dieser Datenressource.

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In alphabetischer Reihenfolge: Lorenza Castella, Erik Liebscher, Reinhard Markner, Markus Meumann, Martin Mulsow, Hermann Schüttler, Olaf Simons und Christian Wirkner

Featured Image: Item:Q4545 letzte Seite und Item:Q4546 erste Seite: Die Mitgliederaufschlüsselungen der Minervalkirchen Frankfurt (Epidamnus, Fortsetzung von voriger Seite), Lycopolis (Erfurt), Heidelberg (Uttica) und Thesalonica (Mannheim).

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